Give Away

von Christoph

Die gute Sitte des Give Away ist vermutlich schon uralt und bis heute ein sehr wichtiger Teil der indianischen Kultur. Give Aways stehen in angenehmem Gegensatz zu unserer doch recht egoistischen „weißen“ Gesellschaft.

Wie der Name schon sagt, geht es darum, etwas von seinem Eigentum wegzugeben, zu verschenken. Das kann mehrere Gründe haben. Wichtigster und häufigster Anlaß ist, eine andere Person zu ehren. Wenn z.B. der Sohn aus der Armee zurückgekehrt ist, die Tochter das Studium abgeschlossen hat oder Powwowprinzessin geworden ist, wenn jemand gestorben ist, dann verschenken die Angehörigen etwas, um an ihr Familienmitglied zu erinnern und es zu ehren. Es ist immer wieder erstaunlich, welchen Umfang solche Geschenkfeste annehmen und wie lange die Familien sparen, um dann Gegenstände im Gesamtwert von mehreren Tausend Dollar wegzugeben.

Ein anderer Anlaß ist, daß der Schenkende selbst etwas bekommen hat, dafür einige Beispiele:

  • Wer die große Ehre hat, bei einem Powwow die Aufgabe des Head-Dancers zu erfüllen, bedankt sich dafür meist mit einem Give Away.
  • Wer zu ersten Mal in Outfit tanzt, hat zuvor Materialien aus der Natur entnommen, Wissen von anderen Tänzern, Hilfe von Freunden und Familie erhalten. Er wird von den anderen Tänzern willkommen geheißen, er erfährt das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Freude des gemeinsamen Tanzens. Dafür gibt er etwas und verschenkt an andere.
  • Wenn ein Tänzer die Whistle bläst, hat er in diesem Moment große Macht. ER zwingt die Band, das Lied fortzusetzen. ER führt eine Zeremonie durch (alle nehmen die Kopfbedeckung ab). ER steht im Mittelpunkt. Für diese große Ehre und Macht sollte er wieder etwas geben, meistens an die Band oder an das Powwow-Komitee, welches dann über die Verteilung entscheidet. Der Einfachheit halber handelt es sich in diesem Fall meist um Geld.

Steven King hat in mehreren seiner Bücher sinngemäß gesagt: „Für alles, was man im Leben bekommt, muß man bezahlen, früher oder später, mehr oder weniger.“ Soweit wie ich die Sache verstehe, ist genau DAS das System des Give Aways, Geben und Nehmen.

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„Sioux Indian Handiwork“
Photograph by Frank Fiske, Fort Yates, North Dakota, 1900 - 1910
Courtesy State Historical Society of North Dakota

Dieses Bild von 1910 zeigt die Vorbereitung für ein Give Away. Alle Gegenstände, die hier präsentiert werden, stehen zum Verschenken bereit, auch die Federhaube, das Tipi (das neue in der Mitte), Lining, 2 Pfeifenbeutel, Kleider, Mokassins, Rohhautboxen und Unmengen von Patchwork-Decken. Dabei muß man bedenken, daß es den indianischen Völkern zu dieser Zeit wirklich schlecht ging. Sie durften ihre Kinder nicht selber erziehen, ihre Reservation nicht verlassen, hatten keine Möglichkeit mehr zu jagen, sondern lebten von zugeteilten Lebensmitteln. Diese Handarbeiten hätten sie teuer an Sammler verkaufen können.

Warum dann so umfangreiche Verschenkfeste? Na ja, in der indianischen Gesellschaft sind einfach andere Sachen wichtig. Bei uns ist die Reihenfolge: schöne Klamotten, schönes Haus, schönes Auto... Der Punkt „etwas für die Allgemeinheit tun“ kommt erst ziemlich weit hinten. Indianer setzen die Prioritäten anders: Wer gastfreundlich ist, wer nicht an seinem Besitz hängt, wer etwas für andere tut, wer viel weggibt, der bekommt am meisten zurück, nämlich Anerkennung und Prestige. Ein schönes Haus ist nicht ganz so wichtig.

Niemand sollte sich jedoch anmaßen, über die Prioritäten anderer zu urteilen. Es sind einfach zwei verschiedene Systeme und beide funktionieren.


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